„Schwarzhörern" empfiehlt STEREO
monatlich die besten Schallplatten
des „Schwarzmarktes"
Igor Stravinsky
LE SACRE DU PRINTEMPS
D u is b u rg e r P h ilh a rm o n ik e r, J o n a th a n D a rlin g to n
A c o u s e n c e LP, e r h ä ltlic h b e i a c o u se n ce .d e
Definitiv eine der besten Orches-
teraufnahmen, die zu hören ich
das Vergnügen hatte, ist diese vom
Acousence-Label in Zusammenar-
beit mit den Duisburger Klangspe-
zialisten von Acapella angefertigte
Einspielung des vor gut 100 Jahren
uraufgeführten „Frühlingsopfers“
des Neutöners Strawinsky. So viel
geordnete Energie, sonore Natür-
lichkeit sowie dynamisch atmende
Raumabbildung gibt’s selten. Ange-
sichts dieser Klangpracht, die bis in
feinste Schattierungen hineinreicht
und in den herben Ausbrüchen des
vitalen Stücks ihre Souveränität
beweist, erhält die reife Leistung
der Duisburger Philharmoniker un-
ter Jonathan Darlington, die allen
Anforderungen der vielschichtigen
Komposition vollauf gerecht wer-
den, ihren angemessenen Rahmen.
Das
großformatige
Beiblatt
bietet nicht nur Informationen
zu Komponist und Werk, Dirigent
und Orchester, sondern erläutert
ausführlich
den
aufwändigen
technischen Background dieser im
Hochbitformat von 24 Bit/192 Kilo-
hertz angefertigten Produktion, die
jedoch durch und durch „analog“
klingt. Die Vorlagen für die perfekt
gepresste 180-Gramm-Scheibe -
das Rezensionsexemplar lief prak-
tisch ohne jedes Nebengeräusch
- entstanden im Direct-Metal-Mas-
tering-Verfahren (DMM) in den Lon-
doner Abbey Road-Studios. So ist
diese Schallplatte, die in Acousen-
ces ambitionierter „Living Concert
Series“ erscheint, selbst ein kleines
Meisterwerk. Denn sie bringt das
Konzerterlebnis ins Wohnzimmer.
Matthias Böde
Joni M itc h e ll
THE HISSING OF SUMMER LAWNS
A s y lu m LP. e r h ä ltlic h e tw a b e i v in y lk a ta lo g .d e
Auf „The Demos Of Summer Lawns“,
einem der besten Joni-Mitchell-Boot-
legs, findet man mit „Hunter (The
Good Samaritan)“ einen jener fast
drei Dutzend Songs, die sie zwar
komponierte, aber nie auf einem
Studioalbum oder Live-Mitschnitt
veröffentlichte. Ein Grund (nicht
der einzige) dürfte sein, dass das
Stück sich im Rahmen dieses höchst
experimentellen Albums wie ein
Fremdkörper ausgenommen hätte.
Unvergleichlich und auch für glü-
hende Bewunderer ein wenig ge-
wöhnungsbedürftig war diese neue
Songkollektion insofern, als sich
Ms. Mitchell nie weiter von ihren
Folk-Anfängen entfernt hatte und
auch die Folk/Pop/Jazz-Fusion-Am-
bitionen von „Court And Spark“
nicht weiter verfolgte. Zu der schar-
fen stilistischen Wende (unter ande-
rem in Richtung Weltmusik mit „The
Jungle Line“, lange bevor der Begriff
überhaupt in Mode kam) merkt sie
in den Liner Notes an: „The whole
unfolded like a mystery.“ Nur um
dann zu erklären, dass sie nicht vor-
habe, dies Geheimnis für irgendje-
manden zu enträtseln. Es war schon
Songpoesie von einsamer Größe,
die sie hier bot, ähnlich komplex
wie die des folgenden Meisterwerks
„Hejira“. Diese Fülle von Melodien
halfen die von ihr engagierten Mu-
siker des L. A. Express und der Jazz
Crusaders unendlich elegant und
impressionistisch zu realisieren.
Und der klanglich alles hinreißend
umsetzende „Henry-more than an
engineer-Lewy“ (Liner Notes) war,
auch bei der Abmischung helfend,
de facto so etwas wie ihr Koprodu-
zent. Auch ihn darf man einmal mehr
j M f
NEUES AUF VINYL
dafür verantwortlich machen, dass
dieses Album wieder so ein abso-
lutes klangliches Sahneteil wurde
wie „For The Roses“ - auch wenn
akustische Gitarren in vertrackten
Tunings weit und breit nicht mehr
auftauchten.
Bei Platten wie diesen, die seit
Jahren auf CD remastered vorliegen,
muss man immer Angst haben, dass
Lizenznehmern irgendein klanglich
nicht optimiertes altes Band zum
Vinyl-M astering angedient wird.
Aber in diesem Fall verwendete
man für den Vinyl-Transfer diesel-
be Remaster-Version wie für die
aktuelle HDCD-Ausgabe. Die LP
bietet alle klanglichen Vorzüge der
Neuüberspielung!
Vorbehaltlos
empfehlenswert auch, weil die
Fertigungsqualität sehr gut ist.
Franz Schöler
Dire Straits
THE STUDIO ALBUMS 1978-1991
M e rc u ry 8 LPs, e; d a c a p o -re c o rd s .d e
dIR E sT R A IT S
n* enneo *u**e
ma - t*>t
Diese
Dire-Straits-Box,
welche
sämtliche Studioalben der Band
beinhaltet, wurde in Foren heiß
diskutiert. Grund: Den Großteil der
Auflage hat man statt bei Pallas in
Tschechien gepresst, zu erkennen
an einem „gz“ in der Auslaufrille.
Dennoch gab es zumindest bei
den uns vorliegenden Exemplaren
fast nichts zu mäkeln, außer, dass
man auf antistatische Hüllen ver-
zichtet hat. Höhenschlag ist nicht
auszumachen, das Rillengeräusch
vernachlässigbar.
Bernie Grundman und Chris Bell-
man haben relativ laut überspielt,
den Alben „On Every Street“ und
„Brothers In Arms“ spendierten die
Profis gar gleich vier Plattenseiten,
so dass letzterer Klassiker nun voll-
ständig auf LP vorliegt (die originale
Vinyl-LP war zirka zehn Minuten
kürzer als die CD). Vor allem aber
überzeugt der Klang der Platten, für
die Bob Ludwig ein neues Remaste-
ring erstellte. Beim Vergleich mit den
bereits sehr guten Remastering-Ver-
sionen von 1996 (CD) erscheint das
Klangbild noch etwas klarer, wirken
Stimme und Gitarre noch einen Tick
„echter“. Gerade über längere Pas-
sagen habe ich dem Vinyl mit mehr
Genuss gelauscht als den erwähnten
CD-Versionen. Als Bonbon bekommt
man Zugriff auf Download-Versionen
der Alben (per Gutschein-Code).
Andreas Kunz
Medeski M a rtin & Wood
LIVE FREE MAGIC
In d ir e c to 2 LPs, e r h ä ltlic h e tw a b e i v in y lk a ta lo g .d e
Galt das Esbjörn Svensson Trio bis
zum frühen Tod des Bandleaders
2008 als Europas spannendstes
Jazztrio der vergangenen zwei Jahr-
zehnte, trifft dies auf der anderen
Atlantikseite bis heute auf Medeski
Martin & Wood zu. Beide Gruppen
waren/sind auf der Suche nach
neuen Ufern, beide spielten eine
Ewigkeit in gleicher Besetzung,
so dass sie sich blind verstanden.
E.S.T. experimentierte vornehmlich
mit Pop, Drum & Bass und Rock,
MMW mehr mit Funk, Free und Fu-
sion. Das klangtechnisch sauber
eingefangene Live-Album „Free
Magic“ aus 2012, das Mitschnitte
von drei verschiedenen Konzerten
auf vier Seiten Vinyl präsentiert,
groovt zwar nicht so deutlich wie
zum Beispiel ihr Studioalbum „Un-
invisible“ (2002) oder „Out Louder“
(2007), vielleicht das Stück „Nos-
talgia At Time Square/Angle Race“
ausgenommen. Es ist aber auch
nicht wirklich „Free“, wie der Titel
vermuten lassen könnte, sondern
ein Querschnitt ihres experimen-
tellen Könnens, gleichermaßen
ausdrucksstark und vielseitig.
„Blues For Another Day“ etwa
beginnt wild
und
perkussiv a
la Cecil Taylor, bricht das Tempo
kurzweilig spirituell wie Keith Jar-
rett, taucht in tiefschwarzen Blues
ein, um wieder volle Fahrt für Avant-
garde aufzunehmen. Einen besse-
ren Bogen als in dieser knappen
Viertelstunde Rillenmarathon kann
man über die wichtigste Kunstform,
die Amerika je hervorgebracht hat,
kaum schlagen.
Ilhami Düzgün
STEREO 3/2014 127
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